Im Publikum mischte sich fassungsloses Staunen mit ungläubiger Heiterkeit. Hatte er das wirklich gesagt? „Die Bürger wünschen sich Urbanität. Was gibt es denn Urbaneres als ein Justizzentrum? Auf dem Dorf finden Sie sowas nicht.“ Dieses Bebauungs-Szenario für die ehemalige Brache der Dom-Brauerei an der Alteburger Straße entwarf Michael Frenzel, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rat, während einer Informationsveranstaltung mit dem Titel „Justizzentrum Ja oder Nein?“. Glücklicherweise hatte die SPD das Podium im Bezirksrathaus Rodenkirchen nicht nur mit Frenzel, sondern auch mit Sachkompetenz besetzt. In Person von Andreas von Wolff, ehemals stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamtes und seit kurzem in Rente. Er brachte die Dinge auf den Punkt: „Es handelt sich hier um einen klassischen Zielkonflikt in der Stadtplanung. Der Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) würde gern sein Recht als Eigentümer der Grundstücke rechts und links der Alteburger Straße wahrnehmen und dort ein neues Justizzentrum bauen. Der Rat der Stadt hat für das 100 Hektar große Gebiet zwischen Südstadion und Rhein eine Sanierungssatzung erlassen. Der zugrunde liegt das ,Entwicklungskonzept südliche Innenstadterweiterung‘, das auf dem Gelände eine weiterführende Schule und Wohnbebauung vorsieht. Dieser Konflikt kann nur politisch gelöst werden.“

Der Rat hat die Planungshoheit

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Dunkle Wolken über NeuLand. Noch ist das Justizzentrum nicht vom Tisch.

Das heißt, dass der Kölner Rat die Planungshoheit über das Gelände hat und mit diesem Recht das Justizzentrum verhindern kann. Frenzel hatte vorher Zahlen genannt, die angeblich Grundlage der BLB-Pläne sind. Man rechne damit, dass 36.000 Quadratmeter Grundstück benötigt werden. 25.000 Quadratmeter für Justiz-Gebäude, 11.000 Quadratmeter für ein Parkhaus. Dessen Ausdehnung entspräche ungefähr der Fläche des NeuLand-Gartens. Die Geschossfläche des Jusitzentrums– also die Fläche für Büros, Gerichtssäle, Arrestzellen, Waffenkammer und so weiter auf allen Etagen – habe der BLB mit 60.000 Quadratmetern beziffert. „Brutto oder netto?“, fragte von Wolff. Schulterzucken bei Frenzel. Bei Brutto kann man das Doppelte draufschlagen. „Die geplante Fachhochschule war auf 100.000 Quadratmeter Geschossfläche ausgelegt“, erklärte Frenzel. Brutto oder netto? Kollektives Schulterzucken auf dem Podium. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend und die Messe nicht gelesen. Ein Rechtsanwalt aus dem Publikum forderte die Sanierung des Justizzentrums an der Luxemburger Straße. Doch die Herren und Damen Richter vom Landgericht wollen sich das möglichst nicht zumuten. Es müssten immer drei der 26 Geschosse des Hochhauses an der Luxemburger Straße gesperrt werden, im mittleren würde gearbeitet. Und immer darauf achten, dass keiner von den schweren Jungs, die dort auf der Anklagebank sitzen, über die Baustelle die Flitze macht!

Mehrheit für die Sanierung

Bei der Veranstaltung fand die Sanierung dennoch große Unterstützung im Publikum. Von Wolff berichtete auch über den großen zeitlichen Rahmen, in dem sich das Verfahren zur Bebauung des Sanierungsgebietes abspielen wird. „Wir“, so der Ex-Beamte, „wollen im Jahr 2015 die Bürgerbeteiligungsverfahren abgeschlossen und 2017 die Bebauungspläne rechtskräftig haben. Die Beteiligung wird mit Planungswerkstätten und anderen Formaten sehr intensiv sein.“ Gebaut wird aber zumindest auf dem Großmarktgelände nicht vor 2022. Schließlich kann dort erst 2020 mit dem Abriss begonnen werden, weil dann die Mietverträge der Großhändler auslaufen. Laut von Wolff sollen die Bürger nicht nur an der Planung, sondern auch an der Realisierung des neuen Veedels „Parkstadt Süd“ beteiligt werden. „Nicht so schön“ nannte von Wolff die große zeitliche Spanne zwischen Planen und Bauen. Sollte man sich vor diesem Hintergrund nicht einfach mehr Zeit für das Aufstellen der Pläne nehmen? Oder möchte man die nervigen Bürger möglichst schnell von der Backe haben? 2017 Bebauungspläne rechtskräftig, lästige Beteiligungsverfahren ein für allemal erledigt? In der Dezember-Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses wird Baudezernent Höing 18 Grundstücke vorstellen, auf denen nach Meinung seiner Behörde das Justizzentrum gebaut werden kann. Frenzels Lieblingsgrundstück liegt im „Airport Business Park, mit der S-Bahn leicht zu erreichen“. Weitere mögliche Standorte sind laut Frenzel das Gleisdreieck an der Inneren Kanalstraße, der Güterbahnhof Mülheim, ein Areal neben dem Polizeipräsidium in Kalk, das dem BLB gehört, aber auch der ehemalige Güterbahnhof Bonntor neben dem Großmarkt.

Marktwert in den Büchern

Und alle möglichen Grundstückstauschgeschäfte zwischen Stadt und Land geschehen vor dem Hintergrund, dass die ehemalige Dombrauerei-Brache immer noch mit einem Wert von knapp über 50 Millionen Euro in den BLB-Büchern steht. Ein intimer Kenner der Immobilien-Szene bewertet das so: „Das kriegen Sie zu dem Preis auf dem privaten Markt niemals vermarktet. Da zu bauen, das kann sich nur die öffentliche Hand leisten.“ Dabei hat der BLB den Wert der Grundstück schon um rund 30 Millionen Euro reduziert. Bezahlt hat man vor Jahren 88,6 Millionen. Aber dann brach sich beim BLB die Einsicht Bahn, dass man die Grundstücke trotz aller Mauschelgeschäfte irgendwann doch noch nach ihrem Marktwert in den Büchern führen müsse. Frenzel räumte ein, dass möglicherweise weiterer Abschreibungsbedarf bestehe.Eines noch zu guten Schluss: Wenn man in einer Partei, die in Köln jahrzehntelang das Sagen hatte, denkt, dass ein neues Justizzentrum die Krönung der Urbanität verkörpert, dann bekommt man eine Ahnung davon, warum zum Beispiel der Ebertplatz so ist, wie er ist.Und: Die SPD in Köln hat mehr Angst vor der Landesregierung und dem BLB als vor uns. Das sollten wir gelegentlich – aber zeitnah – ändern.