Gemeinschaftsgarten im Kölner Süden

Schlagwort: Ausreißer

Der Freibeuter widersteht allzu süßen Versuchungen und zeigt klare Kante

Der Baum in seiner Scheibe auf dem Waidmarkt tat, als hätte er sich die Weisheit auf Spiegeln liniert unter die Rinde gezogen: „Freibeuter, ich habe Dich erwartet. Rheinauhafen, Breslauer Platz, Domplatte. Hast Du wirklich geglaubt, dort Grün zu finden? Lächerlich. Warum bist Du nicht zu mir gekommen? Ich hätte Dir helfen können“, begann er ein Geschäfts-Kontakt-Anbahnungs-Gespräch: „Wo sind denn eigentlich der Sack und die Kiste?“, heuchelte er Interesse. „Denen geht’s grad nicht so gut. Der Sack hat Bindegewebsschwächen, bei der Kiste wackeln die Latten wie der Arsch von Donald Duck“, berichtete der Freibeuter auf dem asphaltierten Platz vor dem neuen Quartiers, wo ehedem das Polizeipräsidium gestanden hatte.

Wohn-Ghetto-Beton-Urbanbegleitgrün

„Gut, dass Du allein gekommen bist“, tat der Baum wie Kumpel: „Freibeuter, ich mache Dir ein Angebot, das Du nicht ablehnen kannst. Du bekommst von mir hier einen lukrativ-hochkunstgedüngten Job mit mir zusammen als einziges Wohn-Ghetto-Beton-Urbanbegleitgrün breit und weit. Und ich bin Dein eigener Chef“, flüsterte der alte Baum so bestimmt, wie das nur jemand kann, der weiß, dass man tut, was er sagt. „Du fühlst Dich also total einsam und verlassen an diesem trostlosen Ort?“  fragte der Freibeuter kein bisschen eingeschüchtert. Der Baum wurde augenblicklich ausgesprochen ungehalten: „Seit wann duzen wir uns, Du Töpfchen-Lusche. Ich stehe hier seit fast beinahe 30 Jahren schon immer. Ich bin hier der Baum. Und sonst niemand. Hast du mich verstanden?“ „Selber Töpfchen“, zwitscherte der Freibeuter.

Rotstaubtrockene Savannenoptik

Dass ihm die Dinge derart aus dem Ruder liefen, war der Alt-Baum ganz und gar nicht gewohnt. Entsprechend unbeherrscht fiel seine Antwort aus: „Du Jungspund, wenn Dir das hier nicht passt, dann hau doch ab nach NeuLand auf Eure Müllkippe mit Schrottplatzromantik in rotstaubtrockener Savannenoptik!“ Aber Lässigkeit gehörte von Anfang an zur Grundausstattung des Freibeuters: „Oh großer Baum. Etwa neidisch auf den Gemeinschaftsgarten? Neid ist nicht verhandelbar. Für mich ist es im Übrigen völlig unverständlich, dass sich Köln diesen Waidmarkt gefallen lässt.“ Da platzte dem Baum endgültig der Kragen, und er machte Rabatz wie früher mit einem Potpourri der immer gleichen Lieder vergangener und zukünftiger Schlachten: „Mein Freund der Baum in Not! Ein Baum, ein guter Baum, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt! Mit 17 hat man noch Bäume! Solang man Bäume noch leben kann…!“ Der Freibeuter drehte sich beim Weggehen kurz um: „Lieber Baum, wir haben überhaupt nichts gegen Bäume. Einige unserer besten Freunde sind Bäume. Und es gibt so viele Farben Grün in der Gemeinschaft. Nur hier und nur mit Dir allein in dieser Ödnis werde ich nicht glücklich. Entspann Dich, sei einfach mal positiv. Schließ die Augen und denk an NeuLand. Denn dort sind wir uns ganz sicher: Unser Optimismus gefährdet die Krise!“

Springbrunnen? Kannste vergessen! Oder: Das Nachtschichtgesicht von Köln

Na, Ihr drei unermüdlichen Jäger und Sammler auf den Spuren des in dieser Stadt so spärlich sprießenden urbanen Grüns. Hallo wach, Ausreißer! Immer noch auf der Flitze, weil Ihr glaubt, in Köln gäbe es Ecken, die schöner grün sind als NeuLand? Aber bei der jüngsten August-Hitze wurde bei Euch da draußen das Wasser knapp, oder? Einmal untertauchen, das wär’s gewesen. Und dann habt Ihr an einen alten Ratsbeschluss gedacht und wolltet Euch in den jahrelang geplanten Springbrunnen auf dem neu gestalteten Breslauer Platz hinter dem Bahnhof retten. Springbrunnen? Könnt Ihr vergessen! Da seid Ihr übrigens nicht die ersten. Ging der Verwaltung genauso. Die hat auch nicht mehr daran gedacht.

Bohne im Pflanzsack vertrocknet

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Ganz allein in weitem Grau.

Das Ding soll aber irgendwann doch noch gebaut werden. Jedenfalls vielleicht, heißt es. Für Euch Ausreißer sicher zu spät. Und jetzt? Die Bohne im Pflanzsack vertrocknet. Und seitdem sie beim Anmarsch über die zu hoch stehenden Steinplattenkanten gestolpert ist, hat auch die Pflanzkiste nicht mehr alle Latten am Beet. Mensch Ausreißer, Euer Ausflug in die graue Wüste hinter dem Bahnhof steht wirklich unter einem schlechten Stern. Aber aufgepasst: „Hinter dem Bahnhof“ gibt es ja nicht mehr, sagte Baudezernent Franz-Josef Höing bei der Neueröffnung des Breslauer Platzes im März: „Es gibt jetzt nur noch zwei Vorderseiten.“ Die hintere von den beiden hat eine Lichtsäulenreihe, bei deren Anblick man spontan an nadellose Fichten denkt, die stehend im Waldsterben liegen. Und rechts davon eine monumentale, säulengetragene U-Bahn-Haltestelle, neben der die Akropolis aussähe wie die Mehrzweckhalle von Köln-Höhenhaus. Freibeuter, kecke Pflanzkiste und tumber Pflanzsack: Macht Euch vom Beton, Ihr Schlachtenbummler der menschenfreundlich-grünen Stadtgestaltung! Hinter diesem Bahnhof könnt Ihr keinen Blumentopf gewinnen. Aber eine Frage haben wir noch: Der Breslauer Platz beim Blauen Zelt mit Musicals wie „Die Schöne und das Biest“ soll das Antlitz unserer Stadt mitprägen? Mal ehrlich: Mit dem Gesicht sollte Köln nur noch Nachtschicht schieben.

Adieu NeuLand – Bonjour tristesse: Die Ausreißer im Rheinauhafen

Mein lieber Kokoschinski! Wo seid Ihr Ausreißer denn jetzt gelandet? Ihr wart doch wie wir. Wir hatten doch alle das gleiche Ziel: Landes-Land in Volkes Hand. Und jetzt? Die große Ranschmeiße an das Obervolk in menschenfeindlicher Umgebung? Liebe kecke Vorzeigekiste und lieber tumber Pflanzsack, der gerade noch so nett auf rotem Sand auf dicke Bohne machte: Was wollt Ihr denn im Rheinauhafen? Über Nacht schon wieder rüber gemacht. Diesmal in die Oberstadt. Schon wieder gelandet in einer Beton-Landschaft ohne einen Hauch von Grün. Und jetzt die edle Wurzelholzkiste geben an feinsten Prinzessböhnchen im Designer-Bändchen-Folien-Säckchen? Habt Ihr denn gar keinen Stolz? Und wo habt Ihr eigentlich den Piraten aufgegabelt?

„Freunde, lasst uns abhauen“

Ach so, der ist nur mit dabei als Erinnerung an die rebellische Zeit. Gemeinschaft, Allmende und so. Als alles allen gehören sollte. Und die Eigentumswohnung mit Blick auf den Strom so unvorstellbar war wie ein Zweitwagen und zwei Tiefgaragenparkplätze. Lange her. Freibeuter, mach, dass die NeuLand-Ausreißer weiter ziehen. Nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten: „Freunde, lasst uns abhauen, was Besseres als hier finden wir überall.“ Und wie sagte schon vor Jahren unser aller Kokoschinski. „Wer freiwillig im Rheinauhafen wohnt, der findet es überall schön.“

NeuLand im Niemandsland

„Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das uns’re weit und breit…“ Ob das stimmt, wollten diese beiden vorwitzigen Ausreißer einfach mal für alle Zeiten bestätigt bekommen und haben in einer Nacht- und Nebelaktion den Standort gewechselt. NeuLand auf Abwegen im Niemandsland. Unsere Vorzeigekiste wie immer vorneweg, und der tumbe Pflanzsack natürlich mir nichts dir nichts hinterher. Ja, ja, und dann auf rotem Sand im Sack auf Dicke Bohne machen. Vielleicht haben sie den Blick auf die unbelebte Brache einfach nicht mehr ausgehalten. Im NeuLand-Garten wird es grüner und grüner, und jenseits des Bauzauns regiert soviel Grau, das ist das Grauen. Auf mittelalterlichen Karten hieß es bei ähnlich unentdeckten Angst-Räumen „HSL“ (Hic sunt leones – Hier sind Löwen). Na sei’s drum, auf unserer Karte steht „BLB“ (Bauwens liebt Beute). Da wären wir wieder bei den Löwen. Aber wir schweifen ab. Trotz allem werden wir den beiden Rackern mal ordentlich die Leviten lesen von wegen Ausreißen und so. Einfach mal eben rübermachen, das könnte ihnen so passen. Obwohl? Je länger man darüber nachdenkt…

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