„Herbsttag“ nannte der ambitionierte Hobby-Gärtner Rainer Maria Rilke sein melancholisches Gedicht zum Ende der Saison: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“ Hätte es damals schon den NeuLand-Gemeinschaftsgarten gegeben, wäre dem armen Dichterkerl eines erspart geblieben. Wir haben nämlich ein Haus. Bei sportlich-kühlen Temperaturen haben die Lehmbauer das Dach fertiggestellt. Aus transparenter Folie. Wirkt wie ein Wintergarten. Und sonst? Na gut, wir wachen, lesen, schreiben lange E-Mails und viel zu lange Blog-Beiträge. Und wenn es uns packt, wandern wir unruhig in den Baumspinat-Alleen. So gesehen – sind wir nicht alle ein bisschen Rainer?
Schlagwort: Lehmhaus
Erstaunlich viel Volk haben Friederike, Luis und die anderen vom Verein Bildung&Bauen in kürzester Zeit über´s www zusammengetrommelt und in den Garten geholt: Lateinamerikanische Stimmung durchwehte NeuLand mit Gitarrenklängen, Bohnensuppe, Empanadas und anderen Leckereien nach Nicaragua-Art. Doch Facebook schützt vor Hitze nicht. Auch unsere jungen Freunde, die die Fertigstellung ihres Lehmbaus feierten, mussten verkokelten Schwund beklagen. Unser Pizzaofen hat es einfach in sich, und zehn Sekunden Unaufmerksamkeit werden gnadenlos bestraft.
Neugärtner aus Eritrea
Aber sonst – ein schöner Erfolg. Seit Sommer haben die frisch gebackenen Architekten in traditioneller Lehmbauweise unser Workshop-Angebot bereichert, gestampft, gestochen, gemauert und eine Dachkonstruktion entworfen. Wir müssen nur noch Gewächshausfolie befestigen, und schon haben wir einen lehmigen und lichten Halb-Rundbau, der sehr schön als kleine Bühne fungieren kann. Jetzt ziehen sie weiter, die Lehmbauer, und errichten in einem Dorf in Nicaragua auf genau diese Weise einen Schulbau. Nicht aus Nicaragua, aber fast von ebenso weit her kamen zur Feier auch zehn eritreische Flüchtlinge, die von der Stadt im Hotel Mado untergebracht worden sind. Angelika von der Willkommensinitiative Moselstraße hatte sie in unseren Garten begleitet, wo sie künftig gerne mitmachen möchten. Für´s erste hat Michel sie begrüßt und herumgeführt – und dann gab´s Empanadas, Suppe, Gitarrenmusik. Für alle!
Unsere Lehmbauer haben es mal wieder so richtig schmatzen lassen und ihren Matsch mit überirdischer Anstrengung und Füßen getreten. Der Bau wächst. Man spricht sogar schon vom Dach. Morgen, 7. September, sind die Aktivisten ab 12 Uhr wieder vor Ort und freuen sich über jeden helfenden Fuß.
Flüchtlingskinder und KVB-Tickets
Anderes Thema: Am 19. Dezember soll die Bauabnahme für die Flüchtlingscontainer sein. Mal gucken, ob die Verwaltung das hinkriegt. Ein Beispiel gefällig für die Probleme, auf die sich die Flüchtlinge und ihre Unterstützer und -stützerinnen gefasst machen sollten? Viele Flüchtlingskinder bekommen für ihren Schulweg kein KVB-Ticket. Begründung: Sie besuchen nicht die nächstgelegene Schule. Das dürfen sie übrigens gar nicht. Der Schulplatz wird ihnen nämlich von der Verwaltung zugewiesen. Wir werden uns alle noch wundern.
Der Rollrasen, wir sprachen kürzlich darüber, wächst an. Wasser bekommt er ja genug, wie man hier sieht. Ohne sich um das wechselhafte Wetter zu scheren, hat unsere Lehmbaugruppe ziemlich wild entschlossen ihre Arbeit aufgenommen. Das Fundament ist gelegt. Aus Bierkisten. An der Ecke Alterburger Straße/Schönhauser Straße entsteht ein halbrunder nach vorn offener Raum, in dem acht Leute bequem sitzen können. Die Lehmbauer üben bei uns für Nicaragua. Dort wollen sie eine Schule bauen. Und was war sonst so los? Die Bienen machen sich winterfertig. NeuLand wird zum Paradies für Schmetterlinge. Der Baumspinat reckt sich zum Himmel. Und der Reis tut es ihm nach.